Enver Şimʂek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taʂköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaʂar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaʂık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter.

In Gedenken an die Opfer des NSU-Komplex wird im Jahr 2025, wenn Chemnitz Kulturhauptstadt Europas sein wird,
ein Pilot-Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex eröffnet.
Zusammen mit unserer Wanderausstellung Offener Prozess, sollen Bildungs- und Vermittlungsangebote, ein Forschungsbereich und ein Archiv sowie ein Versammlungsort – die Assembly – entstehen.

Das Pilotvorhaben basiert auf langjährigen Vorarbeiten der sächsischen Zivilgesellschaft; maßgeblich beteiligt waren und sind die Vereine RAA Sachsen, sowie ASA-FF mit dem Projekt Offener Prozess. Umgesetzt wird die Entwicklung des Pilot-Dokumentationszentrums zum NSU-Komplex (Pilot-DZ) außerdem in Kooperation mit der Initiative Offene Gesellschaft (IOG) aus Berlin. 

Was ist das Pilot-DZ?

Im Mai 2023 erschien die „Konzeption- und Machbarkeitsstudie eines Dokumentationszentrums zum NSU-Komplex in Südwestsachsen“.
Diese entstand als Kooperationsprojekt zwischen den Vereinen RAA Sachsen in Dresden und dem ASA-FF in Chemnitz.
Die Studie wurde von Jörg Buschmann, Dana Schlegelmilch und Hannah Zimmermann verfasst.
Zusammenfassend kamen die Autor*innen der Studie zu folgenden Ergebnissen: 

  • Die Studie schlägt ein Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex vor, das ausgehend von Betroffenenperspektiven solidarische Allianzen stärkt, marginalisierte Perspektiven mit Kunst und Wissenschaft sichtbar macht und Wissen vermittelt, erweitert und bewahrt. 
  • Als Standorte empfiehlt die Studie Chemnitz und Zwickau: Beide bilden einen gemeinsamen Erfahrungsraum, in dem sich der NSU formieren und agieren können. 
  • Das Dokumentationszentrum ist als Knotenpunkt in einem bundesweiten Aufarbeitungsnetzwerk konzipiert. Den geeigneten Rahmen für dessen Betrieb bietet eine privatrechtliche Stiftung, an die auch weitere Aufarbeitungsinitiativen anknüpfen können.

Das Pilot-DZ ist als Labor für ein Dokumentationszentrum gedacht, welches später in ein bundesweites Verbundsystem integriert werden soll; ein Vorschlag aus der im Februar 2024 erschienen Machbarkeitsstudie zu einem bundesweiten Dokumentationszentrum zum NSU von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Demnach soll es mittel- bis langfristig mehrere Dokumentations- und Gedenkorte geben. Finanziert wird das Pilotvorhaben für ein Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex in Sachsen aktuell mit Mitteln des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (SMJusDEG).

Wesentliche Module des Pilot-DZs sind ein Archiv, die Assembly (auf Deutsch: Versammlungsort) und die preisgekrönte Ausstellung „Offener Prozess“ mit ihrem Diskurs- und Vermittlungsprogramm von ASA-FF e. V..

Archiv, Assembly & Ausstellung

Das Pilot-DZ wird auch als Archiv, also als ein Ort des aktiven Bewahren und Erforschens geplant. Hier sollen Dokumente und Materialien gelagert werden, um später tiefergehende Recherchen und Analysen zu ermöglichen.

Archivschränke im Keller des Pilot DZ
Eine große Gruppe von Menschen steht in einem weiten, leeren Raum. Sie sind Teil einer Führung durch das Gebäude.

 

Das Pilot-DZ soll ein Ort sein, in dem sich Aktivist:innen und Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt treffen und austauschen können.Die Räumlichkeiten sollen der Bildungsarbeit, Partizipation und Selbstermächtigung dienen. Zudem werden die Angehörigen der Opfer des NSU-Komplex in den Prozess der Entstehung des Pilotvorhabens bestmöglich eingebunden. Dieser Teil soll daher Assembly – also Versammlung – heißen.

In das Pilot-DZ soll die AusstellungOffener Prozess“, die in den letzten Jahren bundesweit unterwegs war, dauerhaft integriert werden.
Die Ausstellung dokumentiert die Geschichte migrantischen Widerstands in Deutschland, erzählt von den Kämpfen der Angehörigen der Opfer des NSU-Komplexes und berücksichtigt dabei insbesondere ostdeutsche migrantische Lebensrealitäten.

Hauptaufgabe Offener Prozess 

Unser Ziel ist, den NSU-Komplex, seine gesellschaftlichen Verstrickungen und seine Folgen für die Angehörigen und Betroffenen für ein breites Publikum verständlich aufzubereiten. Wir wollen die gesellschaftliche Auseinandersetzung zum NSU-Komplex fördern und verstehen das Projekt als Beitrag zum Gedenken an die Opfer des NSU. Wir haben dazu unter anderem eine Ausstellung entwickelt, die stetig erweitert wird. Diese schafft einen Raum für Begegnung und Bildung. Als Begleitwerk haben wir ein Methodenhandbuch und einen Ausstellungskatalog herausgegeben.
Offener Prozess vernetzt sich mit bestehenden Aufarbeitungsinitiativen und bezieht deren langjährige Arbeit ein. Das Projekt soll ein Beitrag zu einem lebendigen Erinnern sein, in dem für die Perspektiven der Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt sensibilisiert wird und die Kontinuitäten und Entstehungsbedingungen rechtsterroristischer Strukturen ausgeleuchtet werden.

Warum Chemnitz? 

Auf diese Frage Antwortet Gamze Kubaşık, Tochter des ermordeten Mehmet Kubaşık:

“Die Stadt Chemnitz spielt eine große Rolle in der NSU-Mordserie. Hier fühlten sich die Täter:innen sicher und tauchten jahrelang unter. Hier planten sie auch den Mord an meinem Vater. Die Unterstützung der lokalen Neonazi-Szene befähigte sie in ihren Machenschaften und bestärkte sie in ihrer Ideologie. Chemnitz muss sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen und diese aufarbeiten.

Daher ist es von hoher Wichtigkeit, hier an die Opfer zu erinnern und einen Raum für politische Bildungsarbeit in dieser Stadt zu errichten.

Im Rahmen des Kulturhauptstadt-Jahres in Chemnitz ist das Pilot-Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex eine besondere Gelegenheit, um internationale Aufmerksamkeit für das Thema zu erlangen —

Eine Chance, aus dem Prozess zu lernen, damit das bundesweite Dokumentationszentrum ein Erfolg wird.”

Weitere Informationen:

www.NSUDoku.de / Machbarkeitsstudie zum Pilotvorhaben
– Presseberichte (Auswahl):
         Fabian Hillebrand: SPIEGEL (16.04.2024)
         Frederik Mittendorf: Stern (16.04.2024)

Das Pilotdokumentationszentrum zum NSU-Komplex in Südwestsachsen wird von dem Konsortium bestehend aus ASA-FF e. V., RAA Sachsen e. V. und der Initiative Offene Gesellschaft e. V. organisiert und umgesetzt.