Intensiver Austausch zu Erinnerungskultur und Solidarität in Chemnitz
Mit rund 60 Vertreter*innen unterschiedlicher Initiativen und Institutionen – darunter Zeok e. V., Women in Exile,
FU Berlin, Amadeu-Antonio-Stiftung,
dem FHXB Museum Friedrichshain-Kreuzberg, EH Berlin, die Universität Göttingen,
Linke Afrikaner*innen Hamburg, Dresden Postkolonial, IZDA Chemnitz, Initiative 12. August sowie Queers of Color in Deutschland – fand im September ein intensiver Austausch in Chemnitz statt.
Auf Einladung von ver/sammeln antirassistischer Kämpfe, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem Projekt Offener Prozess des ASA-FF e. V. beschäftigten sich die Teilnehmenden mit zentralen Fragen zur Erinnerungs- und Bildungsarbeit:
Wo stehen wir? Welche Lücken existieren? Und wie können wir uns gegenseitig sowie andere Akteur*innen vor Ort besser unterstützen?
Besonders häufig wurde dabei der Wert gegenseitiger Solidarität und der Zusammenhalt unter den Initiativen betont, denn:
„Erinnerung geschieht in Beziehung zueinander.“
So Trong Do Duc (ver/sammeln antirassistischer Kämpfe) und wies damit darauf hin, dass Beziehungsarbeit ein Schlüssel für erfolgreiche Erinnerungsarbeit sei.
Ein weiterer Themenschwerpunkt war die Rolle von Archivierungspraktiken und die Frage, wie sich das Erinnern angesichts aktueller politischer Entwicklungen wandelt hierbei “geht [es] nicht unbedingt darum, Menschen von irgendwas zu überzeugen, sondern ihnen einen Gegenentwurf medialer Repräsentation von migrantisierten Menschen zu zeigen”, wie die Aktivistin, Forscherin und Autorin Phương Thúy Nguyễn ausführt.
Sie selbst stellte an diesem Wochenende ihre aktuelle Arbeit an einem Archiv der vietnamesisch-deutschen Geschichte vor.
Die jüngsten Landtagswahlen in den neuen Bundesländern verdeutlichten die Dringlichkeit, das politische Klima in die Auseinandersetzung mit Erinnerung einzubeziehen.
Vor diesem Hintergrund war Chemnitz als Veranstaltungsort von besonderer Bedeutung: Hier wird durch ein Pilotprojekt ein Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex in Sachsen entstehen – ein Meilenstein der institutionellen Erinnerungspolitik.
Massimo Perinelli, Rosa-Luxemburg-Stiftung, wies während der Auftaktveranstaltung auf die Bedeutung der Betroffenenperspektiven in der Erinnerungsarbeit hin:
„Das Wissen der Betroffenen erzählt in diesem Land alles: Wie wir uns wehren können – gegen Autoritarismus und falsche Geschichtsschreibung.“
Ein zentraler Diskussionspunkt war zudem die Verschiebung erinnerungspolitischer Kämpfe zwischen Zivilgesellschaft und Institutionen. Diese Aushandlungen zeugen sowohl von Fortschritt als auch von den Herausforderungen einer demokratischen Gesellschaft. Fatima Maged (IZDA Chemnitz) äußerte sich dazu optimistisch:
„Wenn ich sehe, wie wir an uns arbeiten – sowohl Marginalisierte als auch die Mehrheitsgesellschaft – dann glaube ich, dass es Hoffnung gibt.“
In dieser Hoffnung versammelten sich die vielen Initiativen, Kollektive und Organisationen an diesem Wochenende in Chemnitz. Angesichts des zunehmenden Rechtsrucks und der stetigen Angriffe auf ihre Netzwerke und Arbeiten fanden sie klare Worte für die Notwendigkeit, sich stärker zu vernetzen, aufeinander abzustimmen und Ressourcen zu bündeln.
Denn eines wurde deutlich: Nicht nur rechte Strömungen dringen weiter in die gesellschaftliche Mitte vor. Ebenso gewinnen jene an Sichtbarkeit, die seit Jahrzehnten Erinnerungs- und politische Arbeit leisten. Ihr Wissen und Engagement bilden heute die Grundlage, um Archive zu schaffen und auf dieser Basis Einrichtungen wie das geplante Pilotvorhaben für ein Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex in Sachsen zu entwickeln. Erinnerungsarbeit und politische Bildungsarbeit greifen Hand in Hand –
ein gemeinsames Projekt für eine solidarische und gerechte Gesellschaft der Vielen.
Wir danken allen Teilnehmenden, die durch ihre Beiträge, Perspektiven und ihr Engagement diesen bereichernden Austausch ermöglicht haben!